Adventsgeschichte von der kleinen Birke
1.12.23: Kleine Birke (Chrüpeli) (Foto: Evelyne Spielmann)
Es war einmal eine kleine Birke. Sie war nicht besonders schön. Sie war schon ganz lang, aber hatte fast keine Äste. Wie geht es wohl weiter...
Stefan Wagner,
Es war einmal eine kleine Birke. Sie war nicht besonders schön. Sie war schon ganz lang, aber hatte fast keine Äste. Nur ein paar dünne Ästchen und ihr Stamm war dünn und wenn es windete schwankte sie recht.
Die kleine Birke lebte in einem dichten Fichtenwald. Es war dort ganz dunkel und die kleine Birke musste immer schauen, dass sie die Sonne wenigstens kurz am Tag sah. Aber sie stand ganz in der Nähe der Tannen. Sie hörte immer gut zu, wenn die miteinander sprachen.
Wenn die kleine Birke den Fichten zuhörte, war sie immer ganz still und wollte kein Wort verpassen. Die Fichten diskutierten immer ganz spannende Sachen. Heute sprachen sie darüber, was sie einmal werden wollen, wenn sie gross und stark sind. Die eine Fichte hat erzählt, dass ihr Onkel ein Leitungsmast wurde. Er war ganz besonders grade gewachsen und hatte einen geraden und starken Stamm.
Die kleine Fichte wollte das auch einmal werden. Die anderen Fichten kicherten und auch die kleine Birke musste sich beherrschen. Ein Leitungsmast, echt jetzt? Aber die Fichte erzählte, wie ihr Onkel gesagt hat, dass er das Summen der Drähte gehört hat, wenn eine Nachricht durchgekommen ist. Da hat er sich immer vorgestellt, wie viele Menschen miteinander verbunden sind, weil er diese Drähte trägt.
Eine andere Fichte erzählte, dass ihr Urgrossvater Bretter wurde, die zu einem Eselkarren zusammengesetzt wurden. Da konnten die Fichten sich nicht mehr beherrschen und lachten ganz laut. Ein Eselkarren, das ist doch kein richtiger Beruf! Da ist ja der Leitungsmast noch besser.
«Lacht nicht!» schrie da die Fichte. «Mein Urgrossvater hat mir immer erzählt, dass die Menschen grosse Freude hatten, wenn sie ihn sahen. Er brachte ihnen Essen, Wasser, Baumaterial und vieles anderes mehr.»
«Pah, meine Mutter, meine Tante und sogar meine etwas krumme Schwester sind alles Christbäume geworden,» erzählte die schönste der Fichten. «Sie waren immer die schönsten der Fichten.» Alle Fichten staunten und waren ganz still. «Alle Menschen und auch die Tiere, die die Christbaum-Fichten sahen, hatten glänzende Augen und freuten sich über die schön geschmückten Bäume.»
Da konnte die kleine Birke nicht mehr still sein. Sie platzte heraus: «Das möchte ich auch werden, wenn ich einmal gross bin. Ich werde ein Christbaum.
Da war es ein Moment ganz still im Wald. Und plötzlich lachten alle Bäume im ganzen Wald laut los. Sie lachten die kleine Birke aus. «Christbaum kann doch nur eine Tanne werden.» «Wer hat schon einmal so etwas Dummes gehört, eine Birke, die Christbaum werden will.» Und sie lachten und lachten. Nicht nur die Fichten und die anderen Tannen, auch die Eichen, die Ahorne, die Buchen und die Erlen und sogar die anderen Birken, die Verräter.
Sie lachten immer noch und eine der Fichten meinte: «So krumm und dünn wie du bist, kannst du froh sein, wenn sie Brennholz aus dir machen.» Da sagte eine andere Fichte: «Pah, der ist doch viel zu dünn. Da kann man nur Sperrholz draus machen.»
Und plötzlich hörten alle Bäume wieder auf zu lachen. Die kleine Birke war froh, aber warum hatten alle aufgehört zu lachen und alles war wieder still? Da hörte die kleine Birke leise Stimmen, noch ganz weit weg. Es waren Kinderstimmen, die sich etwas zuriefen, aber die kleine Birke konnte es nicht verstehen. Langsam kamen die Kinder näher, da konnte es die kleine Birke verstehen. «Schau, Mama, der Baum ist gut, den nehmen wir». Aber der ist doch viel zu klein, da können wir doch nichts aufhängen. Oder der, der ist auch schön grad, was meinst du Papa. Ja, schön grad, aber fast keine Äste. Nein, wir suchen weiter. Die Stimmen kamen immer näher.
Da sagte eine alte Fichte, dass die Kinder einen Baum suchen um ihn zu schmücken. Sie feiern Weihnachten immer im Wald.
Die Stimmen kamen immer näher und irgendwann standen die Kinder bei den Birken und Fichten. Sie schauten sich um. Aber alle Fichten waren schon zu gross für die Kinder. Sie konnten nichts in die Äste hängen, weil diese zu hoch oben waren.
Da sagte eines der Kinder: «Der Baum wäre doch gut. Der ist nocht so gross und die kleinen feinen Äste sind super für unseren Schmuck. Aber das ist doch eine Birke. Ja, und? Geht das nicht?